Die Stimme der polnischen Juden
25. September 2018Goethe-Institut porträtiert IMH
16. Mai 2019Gegenwärtig rund 100 Zeitschriften und Zeitungen in Deutsch
von Björn Akstinat
Die ersten Zeitungen im Gebiet des heutigen Polens erschienen in deutscher Sprache. Sie entstanden ab den 1620er Jahren in Breslau, Stettin und Danzig. Ihre Titel waren „Wöchentliche Zeitungen aus unterschiedlichen Orten“ oder „Bericht aus Pommern“. Seit dem frühen 17. Jahrhundert werden kontinuierlich deutschsprachige Periodika in den Landstrichen zwischen Ostsee und Hoher Tatra herausgegeben. Bis 1945 existierten mehrere tausend Zeitungen und Zeitschriften mit unterschiedlicher Erscheinungsdauer. Dazu gehörten beispielsweise das „Intelligenz-Blatt für das Großherzogtum Posen“, die Fachzeitschrift „Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau“, das aus heutiger Sicht lustig betitelte Magazin „Der fromme Naturkundige“ oder die „Bialystoker Zeitung“ weit im Osten. Auch für spezielle religiöse Gemeinschaften innerhalb der deutschsprachigen Bevölkerung gab es besondere Publikationen wie etwa das „Jüdische Volksblatt“ oder die „Mennonitischen Blätter“.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die damit einhergehende Vertreibung der meisten Deutschen aus dem Osten bedeutete natürlich auch für die deutschsprachige Presse eine große negative Zäsur. Viele prophezeiten 1945 den dauerhaften Niedergang der kompletten deutschen Kultur jenseits von Oder und Lausitzer Neiße. Doch ganz so schlimm kam es nicht. Die kommunistischen Machthaber Polens schränkten zwar kulturelle und journalistische Aktivitäten der wenigen verbliebenen Deutschen in ihrem Herrschaftsbereich stark ein, aber einige deutschsprachige Veröffentlichungen wurden dennoch erlaubt. Unter anderem kam 1948/49 in Warschau regelmäßig eine Zeitung namens „Die Brücke“ von und für deutsche Kriegsgefangene heraus. Zwischen 1951 und 1958 durfte die staatlich gelenkte Zeitung „Arbeiterstimme“ in Breslau erscheinen – für einige Jahre sogar als Tageblatt. Sie wandte sich mit Lokalseiten und Regionalausgaben an die in ganz Polen verstreute deutsche Minderheit. Die meisten Leser lebten in Schlesien und waren größtenteils deutsche Arbeiter in den dortigen Bergwerken. Ihr Fachwissen war für die Aufrechterhaltung des polnischen Bergbaus sehr entscheidend. 1957 soll die Auflage der „Arbeiterstimme“ bei 27.000 Exemplaren gelegen haben. Das Aus für die Zeitung kam, weil die Regierung durch sie eine zu große Stärkung der kleinen übrig gebliebenen deutschen Volksgruppe befürchtete. Ein erneuter Versuch, eine Minderheitenpublikation zu gründen, wurde erst 1985/86 unternommen. Edward Vogelgesang aus der Nähe von Stettin schrieb dafür hoffnungsvoll an Barbara Jaruzelska, die Ehefrau des Staats- und Parteichefs Wojciech Jaruzelski. Sie war Germanistik-Dozentin und die Tochter einer deutschstämmigen Schlesierin. Doch anstatt Verständnis und die Erlaubnis für die geplante Zeitschrift mit dem Titel „Unsere Muttersprache“ zu bekommen, wurde er zur Ausreise gedrängt. Eine Art von deutschsprachigen Druckmedien hatte man allerdings von staatlicher Seite fast während der gesamten kommunistischen Diktatur gerne gefördert – und zwar waren das Propagandapublikationen, die sich vornehmlich an ein Publikum im Ausland richteten. Darunter waren Zeitschriften wie „Polens Gegenwart“, „Polnischer Außenhandel“, „Rundschau der polnischen Gewerkschaften“ oder die deutsche Ausgabe des Monatsmagazins „Polen“ aus dem Polonia-Verlag. Diese Staatsmedien stellten ihr Erscheinen alle mit der politischen Wende 1989/90 oder kurz danach ein.
Der Untergang des kommunistischen Systems und der Beginn der Demokratie in Polen war eine weitere Zäsur für die deutsche Kultur – diesmal selbstverständlich eine positive. Die deutsche Volksgruppe konnte aufblühen und die neugewonnene Freiheit nutzen, um erste eigene Publikationen ohne staatliche Einmischung zu starten. Gleich im April 1990 publizierten Minderheitenvertreter eine Wochenzeitung in Oppeln. Anfänglich trug sie die Namen „Oberschlesische Nachrichten“ und „Oberschlesische Zeitung“. Von 1995 bis 2011 lautete der Titel „Schlesisches Wochenblatt“. Heute heißt sie kurz „Wochenblatt.pl“ und ist die bedeutendste Publikation von und für die Minderheit. Herausgeber ist der zentrale Verband der deutschen Gesellschaften in Polen (VdG). Um den Lesern entgegenzukommen, die ihre Deutschkenntnisse aufgrund der Repressionen in der kommunistischen Zeit nahezu verloren haben, enthält das Blatt auch polnischsprachige Artikel. Als Extraleistungen liegen der Zeitung in jeder Ausgabe eine TV-Beilage und in jeder zweiten Ausgabe die „Oberschlesische Stimme“ bei. Da in Oberschlesien die meisten der schätzungsweise noch rund 300.000 deutschstämmigen Menschen Polens beheimatet sind, gibt es das Wochenblatt dort sogar an vielen Kiosken. Eine weitere Publikation aus Oppeln für die Minderheit ist die wöchentliche zweisprachige Beilage „Heimat“ zur regionalen polnischen Tageszeitung „Nowa Trybuna Opolska“ (nto).
Außer diesen Druckmedien im Zeitungsformat gibt es im ganzen Land zahlreiche Zeitschriften, Mitteilungsblätter, Gemeindebriefe und Jahrbücher auf Deutsch. Ihre Zielgruppen und Erscheinungsorte sind sehr unterschiedlich. Für deutschsprachige Katholiken erscheinen spezielle Veröffentlichungen in Oppeln, Krakau und Breslau. Die niederschlesische Großstadt Breslau bietet ebenfalls einen evangelischen Gemeindebrief, das Minderheitenmagazin „Niederschlesische Informationen“ und mehrere Publikationen des örtlichen Germanistik-Instituts. Fachzeitschriften von und für Germanisten publizieren nahezu alle größeren polnischen Universitäten. Da Polen zu den Staaten mit den meisten Deutschschülern gehört, wird natürlich auch für diese ein eigenes Sprachlernmagazin herausgegeben. Es heißt „Deutsch aktuell“ und kommt aus einem Verlag in Posen. Junge Leser werden ebenso von Institutionen des Verbandes der deutschen Minderheit mit Lesestoff versorgt: für Jugendliche gibt es die Zeitschrift „Antidotum“ und für Kinder das Magazin „Keks“. Neben Schlesien ist die Woiwodschaft (Bezirk) Ermland-Masuren im Nordosten Polens, die den südlichen Teil des ehemaligen Ostpreußens darstellt, eines der Haupterscheinungsgebiete deutschsprachiger Periodika. Allein in der Bezirkshauptstadt Allenstein werden drei monatliche Zeitschriften von und für die dortigen Deutschstämmigen herausgegeben: seit 1990 die „Masurische Storchenpost“, seit 1994 das „Mitteilungsblatt der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren“ sowie seit 2003 die „Allensteiner Nachrichten“. Mehrere Veröffentlichungen in dieser beliebten nordöstlichen Urlaubsregion mit vielen Seen, Wäldern und sanften Hügeln wenden sich auch an Touristen. Für deutschsprachige Unternehmer, Investoren, und Geschäftsreisende im ganzen Land existieren gleich zwei Fachmagazine. Einerseits kommen aus Warschau die zweisprachigen „Wi – Wirtschaftsnachrichten“ der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer und andererseits erscheint in Oppeln seit 2016 das neue „POLENJournal“. Insgesamt hat sich ab 1990 wieder eine beachtliche Presseszene entwickelt. Nach Untersuchungen der Internationalen Medienhilfe (IMH), dem Verband der deutschsprachigen Medien weltweit, gibt es in Polen momentan rund 100 Zeitungen und Zeitschriften auf Deutsch. Im „Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland“ aus dem IMH-Verlag (ISBN: 978-3-9815158-1-7) findet man weitere Informationen.
Textquelle: Nachrichtenagentur der Internationalen Medienhilfe (IMH)
Fotoquelle: Archiv der Internationalen Medienhilfe (IMH)