La situation de la presse germanophone en France
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Mallorca, Florida oder Kaliningrad – bei deutschsprachigen Zeitungen im Ausland kommen Praktikanten schnell ins Blatt
Über seine jungen Kollegen aus Deutschland weiß der russische Journalist Victor Tschernyschow nur Gutes zu berichten. „Engagiert, kompetent und meist sehr sympathisch.“ Er teilt mit ihnen sein Büro im Souterrain eines Wohnblocks in Königsberg/Kaliningrad. Ein paar Stufen unterhalb der Straße führt eine Glastür in zwei schlicht eingerichtete Räume, in denen eine Zeitung gemacht wird, der „Königsberger Express“. Seit 1993 informiert das monatlich erscheinende Blatt in deutscher Sprache über Politik, Wirtschaft und Kultur in der russischen Exklave rund um Kaliningrad. Die Auflage beträgt 5.000, davon wird die Hälfte an Abonnenten in Deutschland geschickt, der Rest findet seine Leser in Russland.
Tschernyschows Schreibtisch steht unter einem großen Fenster mit Blick auf den Vorgarten. Der zweite Arbeitsplatz auf der anderen Seite des Zimmers ist reserviert für Leute wie Ewa Lukasiewicz, eine Kieler Studentin der Germanistik und Slawistik. Ihr erster Besuch in Kaliningrad liegt zwei Jahre zurück, damals machte sie einen Sprachkurs. Der Anlass für den zweiten Besuch: ein Praktikum beim „Königsberger Express“. „Mich interessiert Russland, und zugleich gewinne ich Einblicke in eine Branche, die ich vorher nicht kannte. Eine optimale Kombination“, findet die 24-Jährige. Im Impressum taucht sie als „Lektorin/Redakteurin“ auf – eine Referenz für spätere Bewerbungen.
Die Texte im „Königsberger Express“ stammen überwiegend von russischen Autoren oder Nachrichtenagenturen. Sie landen zunächst bei Tschernyschow, der alle Beiträge ins Deutsche übersetzt, und danach auf dem Praktikantenschreibtisch, wo sie den sprachlichen Feinschliff erhalten. „Grammatikalische Fehler in den Übersetzungen sind äußerst selten“, lobt die Kieler Studentin den Stil ihres russischen Kollegen.
Der „Königsberger Express“ rekrutiert regelmäßig Nachwuchsjournalisten aus Deutschland, die vier bis acht Wochen in der Redaktion mitarbeiten. Bei der Personalsuche hilft die Internationale Medienhilfe (IMH). Die IMH ist der zentrale Knotenpunkt im weltweiten Netzwerk deutschsprachiger Auslandsmedien. Jährlich vermittelt sie rund 800 Praktikumsplätze in aller Welt. Der Bedarf an mobilen Journalisten ist groß, denn weltweit erscheinen mehr als 2.000 Zeitungen und Zeitschriften in deutscher Sprache, und jedes Jahr werden es mehr. Darunter auflagenstarke Titel wie die in Südtirol verbreitete Tageszeitung „Dolomiten“, aber auch ambitionierte Nischenprodukte, etwa der südamerikanische „Menno-Bote“: ein Magazin für die in Bolivien lebende Gemeinde der evangelisch-freikirchlichen Mennoniten, deren Urahnen vor 300 Jahren aus Deutschland ausgewandert sind.
Seit 1990 ist die Zahl der deutschsprachigen Auslandsmedien um rund zehn Prozent gestiegen. Vor allem in Osteuropa, wo sich deutsche Minderheiten eigene Sprachrohre schaffen, sind viele neue Redaktionen entstanden. Aber auch in den Kiosken auf Mallorca, in Florida und in Thailand findet sich immer mehr deutschsprachige Lektüre. Gemacht für Touristen, die sich am Strand mit lokalen Infos in ihrer Muttersprache eindecken möchten.
„Für Journalisten mit Fernweh gibt es Jobs in allen Teilen der Welt“, sagt IMH-Leiter Björn Akstinat. Auch Anfänger haben eine Chance. Sonja Richter, die zwei Jahre für das „Schlesische Wochenblatt“ im polnischen Oppeln/Opole gearbeitet hat, meint: „Eine absolut empfehlenswerte Erfahrung.“ Ähnlich wie ihre deutschen Kollegen beim „Königsberger Express“ war sie beim „Schlesischen Wochenblatt“ in textlicher Hinsicht die letzte Instanz. Die 36-Jährige verbrachte viel Zeit beim Korrekturlesen von Artikeln ihrer Kollegen. Zudem betreute sie als Redakteurin die Jugendseite, plante Themen, beauftragte Autoren, arbeitete mit ihnen an Texten. „Wir haben spaßige Sachen gemacht. Geschichten über Mode, Musik, Film. Aber auch informative, fundierte Themen gebracht. Zum Beispiel Tipps für das Studium in Deutschland.“ Die Arbeit im Ausland ermöglichte Sonja Richter den Einstieg in die Medienbranche, noch bevor sie ihren Magister in der Tasche hatte. Als Ethnologie-Studentin hat sie sich intensiv mit Minderheiten beschäftigt.
… Den meisten deutschsprachigen Auslandsmedien fehlt das Geld, um Praktikanten etwas zu bezahlen. Doch sie sind erfinderisch, wenn es darum geht, junge Talente anzuheuern. So vermittelt der „Königsberger Express“ seinen Praktikanten günstige Zimmer im Studentenwohnheim der Kaliningrader Universität.
aus: Wochenzeitung „DIE ZEIT“ (www.zeit.de/2004/50/C-Auslandsmedien)