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Mark Twain – „der treueste Freund der deutschen Sprache“

Der berühmte US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835-1910) verehrte die Sprache Goethes und Schillers so sehr, dass er auf dem Grabstein seiner geliebten Frau Olivia (1845-1904) den deutschsprachigen Satz „Gott sei Dir gnädig, O meine Wonne“ eingravieren ließ. Die Gräber von Olivia und Mark Twain, der eigentlich Samuel Langhorne Clemens hieß, findet man auf dem Woodlawn-Friedhof in Elmira im US-Bundesstaat New York (siehe Bild unten).

Twain kam bereits in seiner Jugend in Kontakt mit der deutschen Sprache. In seiner Heimatstadt Hannibal am Mississippi lebten viele deutsche Einwanderer. Er entwickelte den Wunsch, die Sprache seiner Nachbarn zu lernen. Als Lehrer suchte er sich einen deutschen Schuhmacher aus. Der Versuch scheiterte jedoch an dessen schlechten pädagogischen Fähigkeiten. 1853 zog Twain nach St. Louis, wo damals etwa ein Drittel der Bevölkerung deutschstämmig war. Dort arbeitete Twain kurzzeitig als Setzer und Drucker für den „Anzeiger des Westens“, die größte deutschsprachige Zeitung der Region. Im April 1870 stellte seine Frau Olivia, die er im selben Jahr geheiratet hatte, ein deutsches Hausmädchen ein. Dies war der Beginn einer Tradition, die über viele Jahre bestehen sollte. Zur Vorbereitung auf eine Deutschlandreise engagierte das Ehepaar 1877 eine deutsche Gouvernante für seine kurz nach der Heirat geborenen Kinder und begann, Deutsch zu lernen. Im folgenden Jahr war es soweit und die Familie bereiste Deutschland und die Schweiz. Dabei machten alle Familienmitglieder weitere Fortschritte in der Sprache Goethes und Schillers. Nach diesem über einjährigen Auslandsaufenthalt entstand der halb-fiktive Reisebericht „Bummel durch Europa“ (A Tramp Abroad), in dessen Anhang sich der Aufsatz „Die schreckliche deutsche Sprache“ (The Awful German Language) befindet.

Auch wenn der Titel des Aufsatzes etwas anderes vermuten lässt, so ist er eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache. Darin lobt er beispielsweise die Großschreibung von Substantiven als „gute Idee“. Man könne durch sie meist direkt das Hauptwort eines Satzes erkennen. Außerdem sei die Aussprache von deutschen Wörtern leicht zu erlernen und könne direkt aus der Aussprache der einzelnen Buchstaben abgeleitet werden. Dies sei ein klarer Vorteil gegenüber dem Englischen, in dem zum Beispiel das Wort „bow“ je nach Bedeutung (Bogen, Verbeugung oder Bug) unterschiedlich ausgesprochen werde. Twain würdigt darüber hinaus die gefühlvolle Seite unserer Sprache: „Es gibt einige deutsche Wörter, die ungewöhnlich ausdrucksstark sind. Zum Beispiel diejenigen, die das stille, friedliche und zärtliche Familienleben beschreiben; diejenigen, die sich mit der Liebe in jeder Form befassen, von der einfachen Freundlichkeit und ehrlichem Wohlwollen dem vorüberschreitenden Fremden gegenüber bis hinauf zum Liebeswerben; diejenigen, die sich mit der Natur draußen in ihren sanftesten und lieblichsten Formen befassen – mit Wiesen und Wäldern, Vögeln und Blumen, dem Duft und Sonnenschein des Sommers und dem Mondlicht friedvoller Winternächte; mit einem Wort, diejenigen, die sich mit allen nur möglichen Formen der Untätigkeit, der Ruhe und des Friedens befassen; auch diejenigen, die sich mit den Geschöpfen und Wundern des Märchenlandes befassen; und schließlich und hauptsächlich ist die Sprache in denjenigen Worten, die Pathos ausdrücken, unübertrefflich reich und ausdrucksstark. Es gibt deutsche Lieder, die einen mit der Sprache nicht Vertrauten zum Weinen bringen können. Das zeigt, dass der Klang der Worte stimmt – er gibt den Inhalt haargenau wieder; und auf diese Weise wird das Ohr angesprochen und über das Ohr das Herz.“ Aber nicht nur für unsere Sprache hat er viel Lob übrig, sondern ebenso für unser Land („Deutschland ist im Sommer der Gipfel der Schönheit.“) und die Deutschen insgesamt: „Sie sind warmherzig, gefühlvoll, impulsiv, begeisterungsfähig, beim zartesten Anstoß kommen ihnen die Tränen, und es ist nicht schwer, sie zum Lachen zu bringen.“

Auch nach der Rückkehr aus Europa blieb das Interesse Twains und seiner Familie an der deutschen Sprache erhalten und der Sprachunterricht wurde fortgesetzt. In seinem Hause wurde teils mehr Deutsch als Englisch gesprochen. Seine drei Töchter beherrschten die neue Fremdsprache bald so gut wie ihre Muttersprache. Twain lernte zwar auch Französisch und Italienisch, aber keiner anderen Fremdsprache widmete er so viel Aufmerksamkeit und so viel Liebe wie der deutschen. Das Deutsche fand Eingang in Briefe, Notizbücher und einige literarische Werke. So nutzte er die deutsche Sprache als humorvollen Effekt in seiner 1888 erschienenen Kurzgeschichte „Mrs. McWilliams and the Lightning“. Im gleichen Jahr veröffentlichte Twain das zweisprachige Stück „Meisterschaft: In Three Acts“, für dessen Verständnis solide Deutschkenntnisse nötig sind. Außerdem beschreibt Twain im 23. Kapitel des 1889 erschienenen Romans „Ein Yankee am Hofe des König Artus“ die magische Wirkung der langen deutschen Wörter.

Ab 1891 hielten sich Twain und seine Familie noch einmal für neun Jahre in Deutschland und Österreich auf. Dies war also nicht nur eine längere Reise, sondern quasi eine Auswanderung auf Zeit. Dabei wurden sie sogar vom deutschen Kaiser Wilhelm II. und vom österreichischen Kaiser Franz Joseph I. empfangen. Als sie zwischen 1897 und 1899 in Wien lebten, hielt Twain auf Einladung des dortigen Journalisten- und Schriftstellervereins den humorvollen Vortrag „Die Schrecken der deutschen Sprache“ – natürlich auf Deutsch. Er machte darin Vorschläge, wie man die deutsche Sprache noch weiter perfektionieren könne und bezeichnete sich als „den treuesten Freund der deutschen Sprache – und nicht nur jetzt, sondern von lange her“.

 

Text und Bildcollagen: © IMH-Nachrichtenagentur (Nachdruck kostenpflichtig)